Frieden sichern, „eine Angelegenheit des Terminkalenders“

In der Nummer 12 des FF Magazins beklagt Florian Kronbichler in seinem Kommentar, dass das Wort Zeitenwende zur bloßen Floskel verkommen sei und keineswegs eine Abkehr von der alten Aug um Aug und Zahn um Zahn Mentalität bedeute. Dabei kritisiert er auch die ehemaligen Pazifisten und Wehrdienstverweigerer der Grünen, die sich zu einem theoretischen Pazifismus wohl bekannt haben, ihn aber, als es in der Praxis drauf ankam, schnell entsorgt haben. Was wir in diesen Wochen und Tagen vor Ostern zu lesen und zu hören bekommen, sind Beteuerungen zur Aufrüstung, Wehrhaftigkeit und Kriegstüchtigkeit. Frau Meloni verspricht ihrem völlig unberechenbaren und zollwütigen Präsidentenkollegen jenseits des Atlantiks die Hausaufgaben von 2% des BIPs für Kriegsausgaben, der Spiegel sprach letzthin gar von Vorkriegszeit, so genannte Fachleute schwadronieren davon, dass die Wertschätzung des Soldatenberufs wieder in den Schulen vermittelt werden sollte. Die EU plant ein Budget von 800 Milliarden Euro für Rüstungsausgaben. Die Stimmen für Erhalt des Friedens, für die Abwendung von aggressiver Rhetorik und Hinwendung zu kluger Diplomatie werden immer leiser. Der Mainstream bringt sie zum Verstummen und verunglimpft die Position für den Frieden als naiv und weltfremd. Der australische Historiker Christopher Clark hat die europäischen Gesellschaften, die 1914 in den Ersten Weltkrieg schlitterten, als Schlafwandler bezeichnet. Auch sie hatten eine relativ lange Friedensperiode erlebt, sie verließen sich auf ihren Wohlstand und auf ihre Regierungen, die ihrerseits auf eine aggressive Aufrüstungspolitik setzten. Wir wissen, wie es endete. Auf die Materialschlachten des Ersten Weltkrieges, so sehr sie sich im kollektiven Gedächtnis festsetzten, folgte keineswegs eine lang andauernde Friedensperiode, trotz Millionen Toter, Verstümmelter, Traumatisierter, trotz Hungers und Elends der Zivilbevölkerung. Warum also setzt man heute wieder auf diese schlecht bewährten Mittel? Wäre es nicht an der Zeit, anderen Stimmen als jenen der Expert:innen für Militärstrategie und Waffenlogistik eine Plattform zu geben. Journalist:innen, warum traut ihr euch nicht, entgegen dem Zeitgeist auch jene Institutionen zu Wort kommen zu lassen, die das Wort Frieden in ihrem Programm tragen, wie etwa das Friedenszentrum im alten Grieser Rathaus in Bozen, das Netzwerk für Nachhaltigkeit, das Institut De Pace fidei? Gebt endlich Friedensforschern, Theologinnen, Psychologen, Klimaforschenden und Ärztinnen die Gelegenheit, ihre Sicht auf den Krieg darzulegen. Schafft für jene moderaten Gruppen und Personen ein breites Diskussionsforum, die den Fokus der Politik nicht einseitig auf Sicherheit legen, sondern die auf demokratische Mitsprache, Verantwortung und sozialen Ausgleich setzen, unverzichtbare Voraussetzungen für den Frieden. Angesichts der aggressiven autokratischen Ideologien rund um den Globus erscheint die Freiheit weit mehr bedroht als die Sicherheit. Wenn man merkt, dass sie verloren ist, ist es bereits zu spät, wie Erich Kästner in seiner Rede anlässlich der 25. Wiederkehr der Bücherverbrennung 10. Mai 1958 formulierte: „Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben. Es ist eine Angelegenheit des Terminkalenders, nicht des Heroismus.“ Stehen wir also rechtzeitig auf, und führen wir in einer freien und friedliebenden Demokratie die Zeitenwende herbei, solange dies möglich ist.

Barbara Fuchs

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