Das Projekt Schutz- und Friedenswald am Burger Hof, St. Veit im Pragsertal
Vielleicht werden Bauernhöfe in Zukunft nicht nur für Nahrungsmittel
sorgen, sondern werden auch zu einem Ort, an dem Kinder und Erwachsene
wieder eine Beziehung zu den tieferen Quellen des Anwesendwerdens
aufbauen können.Otto Scharmer

Ich bin am 3.10. 2025 anlässlich der Feier zum 11. Jahrestag des außerschulischen Lernortes am Burger Hof (www.burger-hof.org). Dort treffe ich mich mit den Protagonist:innen des Projektes „Schutz- und Friedenswald“: Elisabeth Bachler, Christine Mutschlechner und Reginalda Tschurtschenthaler, die gemeinsam mit Hermann Rogger, dem Verantwortlichen für die Begabungs- und Begabtenförderung des Schulverbundes Pustertal in Zusammenarbeit mit der Forstinspektion Welsberg ein friedensstiftendes Projekt am Burger Hof durchgeführt haben.
Das Pilotprojekt basiert auf dem Vorgängerprojekt „1000 Bäume“, das im Frühjahr 2025 in generationen- und länderübergreifender Zusammenarbeit zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht worden war. 1800 Kinder aus 141 Kindergärten und Schulen aus Südtirol, Österreich, Deutschland und Polen hatten im Rahmen des Kunst- und Schreibprojektes „1000 Bäume“ mit Bildern, Geschichten, Gedichten und handfester Arbeit mitgeholfen, den Schutzwald hinter dem Burger Hof, welcher durch das Sturmtief Vaja zerstört worden war, aufzuforsten.
Mit dem Pflanzen von Bäumen ist es aber nicht getan. Das nächste Projekt trug den Namen „Pflanzen, Pflocken, Pflegen“. Amtsdirektor Pörnbacher vom Forstinspektorat Welsberg: „Nur Bäume pflanzen und sie dann, im guten Gefühl das Unsere getan zu haben, sich selbst zu überlassen, ist eine zu einfache Herangehensweise an ein komplexes Problem. Um jungen Bäumen eine Zukunft zu sichern, braucht es jahrelange, aufwändige Pflege. Deshalb freue ich mich, dass Kinder und Jugendliche jetzt den neu angelegten Schutzwald pflegen.“ Holzpflöcke und Schafwolle schützen die kleinen Bäume.
Das Projekt steht in der internationalen Tradition der Friedenswälder, die ein neues Zeichen für Frieden und Völkerverständigung setzen wollen. Die Idee: Weltweit führen Kinder zusammen mit Erwachsenen ein besonderes friedensstiftendes Naturprojekt durch. Sie pflanzen acht Bäume für einen klimafitten Wald, verbinden die Bäume mit acht zentralen Werten, gewinnen prominente Baumpaten, stellen acht Werte-Sitzbänke auf, schreiben poetische Texte zu acht Wertebegriffen wie Achtsamkeit und Respekt, verfassen Steckbriefe zu den gepflanzten Bäumen und setzen sich in einem Manifest für die Erweiterung der Demokratie zur Biokratie nach Georg Winter ein.
Ausgangsituation kann je nach Land ein Sturmschaden, Borkenkäferbefall oder ein Waldbrand, aber auch der Wunsch nach Frieden im Kleinen und Großen sein. Die Kinder setzen sich mit den Gegebenheiten ihrer Umgebung auseinander und entwickeln in Zusammenarbeit mit Experten einen Prototyp für einen klimafitten Wald in ihrer Region. Die acht Wertebegriffe vernetzen Jung und Alt weltweit.
Der Begriff der Biokratie unterstreicht, dass alle Lebewesen – Menschen, Tiere und Pflanzen – geschützt werden müssen. Die Zahl Acht hat vielfältige Bedeutungen und steht u. a. für Neubeginn, Unendlichkeit, Vollkommenheit, Gleichgewicht und Harmonie im Universum, Karma, wird mit den Folgen unseres Handelns in Verbindung gebracht und steht auch für die Verbindung zwischen Gott und den Menschen.
In Prags legten 43 Grund-, Mittel- und Oberschüler:innen des Schulverbundes Pustertal am Burger Hof einen neuen Ort der Ruhe mit acht Bäumen für einen klimafitten Mischwald und mit acht Werte-Sitzbänken an. Dazu haben sie poetische Texte zu Grundhaltungen wie Achtsamkeit, Respekt und Verantwortung geschrieben. Prominente Persönlichkeiten wie Landesrat Philipp Achammer und Margot Friedländer haben jeweils eine Baumpatenschaft übernommen.
„Mögen der gemeinsam mit Kindern gepflanzte Schutzwald und der neu gestaltete Ort der Ruhe am Burger Hof dazu beitragen, dass sich die Menschen durch das Pflanzen, Pflocken und Pflegen der Bedeutung eines Schutzwaldes verstärkt bewusstwerden, dass sie darüber hinaus verinnerlichen, dass wir mit allen Lebewesen – Menschen, Tieren und Pflanzen – achtsamer, empathischer und respektvoller umgehen, ganz im Sinne von Georg Winter, dessen Ideen einer Biokratie sich im Manifest der beteiligten Oberschüler:innen wiederfinden“, so Hermann Rogger, der Projektleiter.
Vom 21.-27. September dieses Jahres fand in Toronto das internationale Friedensfestival (IPF) statt, zu dem das Projekt eingeladen wurde und in die Reihe der internationalen Friedenswälder (Garden of Peace) aufgenommen wurde.
Die Projektbeteiligten haben didaktische Richtlinien erarbeitet, um das Projekt zu verbreiten, welches zur Nachahmung empfohlen wird. Link zur Vertiefung der didaktischen Leitlinien
PS:
In einer spontanen Notiz im Anschluss an die Feier zum Schutz- und Friedenswald am 6. Juni 2025 am Burger Hof notierte der Pädagoge Josef Watschinger, Vorsitzender der Stiftung außerschulische Lernorte seine Beobachtungen:
„… im grünen Schatten darf ich leben, hör das Zwitschern, spür den Wind. Achtsam geh ich durch das Leben, wo wir alle Teile von allem sind …“, es nimmt mich mit, dieses Lied – es ist die sanfte Stimme und es sind die Klänge der Gitarre, die den Wald durchdringen. Die junge Frau sitzt auf einem Baumstrunk, sie hat die letzte Schulwoche hier auf dem Burger Hof verbracht und sie bringt sich spontan ein in die Wald-Feier, die hier stattfindet. Sie hat das Lied selbst getextet, die Begleitung mit Gitarre dazu komponiert. In der Art, wie sie singt, wie sie von sich erzählt und laut denkend ihre Botschaften streut – ja, da entsteht in mir die Gewissheit, sie hat verstanden, was diese unsere Welt jetzt braucht. „… der Wald heißt jeden Menschen willkommen, hier gibt es kein richtig oder falsch, hier darfst du einfach sein – ganz du selbst, und der Wald, der trägt dich und du wächst mit ihm.“
10/25 SUE
Einige Gedanken zum obigen Artikel
„Ein Baum der fällt, macht mehr Krach als ein Wald der wächst“.
(Alte tibetische Weisheit)
Der Bericht zum „Friedenswald“ im Pragser Tal hat mich an ein Buch erinnert, das der Quantenphysiker Hans-Peter Dürr vor vielen Jahren geschrieben hat. Für ihn ist der ´wachsende Wald´ mehr als nur eine Metapher für das, was eine Friedenskultur ausmacht.
Dürr zitiert den tibetischen Denkspruch, um zu unterstreichen, dass „eine gewaltlose Konfliktbearbeitung nur dann erfolgreich sein kann, wenn wir der zeitlichen Entwicklung von Konflikten mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Hauptarbeit muss schon geleistet werden, bevor die meisten überhaupt Gefahren wittern. Wir müssen deshalb unsere Sensibilität für Unspektakuläres entwickeln, denn in diesem steckt das eigentlich Wertschöpfende und langfristig relevante.“
Und – schreibt Dürr weiter: „Unsere Wahrnehmung wird stark von ´fallenden Bäumen´ dominiert. Unsere ganze Geschichte ist voller fallender Bäume: Krieg und Zerstörung, mächtige Kaiser und Könige…Es sind auch immer die schrecklichen Ereignisse in den Schlagzeilen, die uns glauben machen wollen, dass dies nun das Wesentliche sei, was in der Welt passiert. (… ) Doch dann wundern wir uns, dass es trotz all dieser Zerstörung immer noch Leben auf dieser Erde gibt. Wir erkennen daraus, dass es der ´wachsende Wald´ ist, auf den es letztlich ankommt. Es ist der wachsende Wald, der das Leben fortführt. Aber wer erwähnt schon den wachsenden Wald? Er verändert sich langsam, ganz unauffällig, doch beständig, nur erkennbar, wenn wir über lange Zeit unsere Aufmerksamkeit darauf richten. Dass das Wachsende, das Aufbauende langsamer gehen muss, als das Abbauende, Zerstörerische ist kein Zufall. Echte Wertschöpfung braucht Zeit, gerade deshalb entgeht sie leicht unserer Wahrnehmung“.
Hans-Peter Dürr schließt diese Überlegungen mit dem Satz: „Das ist für mich die Quelle der Hoffnung, dass Frieden möglich ist. Lasst uns nicht im Getöse der Zerstörung das langsame Entfalten des Neuen übersehen!“ (an)
Zitat aus dem Buch von Hans-Peter Dürr Das Lebende lebendiger werden lassen. Wie uns neues Denken aus der Krise führt (Oekom-Verlag)


